Hilfe!

Die Schaufel gräbt sich in die trockene Erde, dringt immer tiefer vor, befördert einen Klumpen nach dem anderen an die Oberfläche. Sie bohrt dort ein Loch, wo vorher keines war. Die Sonne steht am mittäglichen Zenit, normalerweise eine Zeit zu der die Menschen die kühle Zuflucht in ihrer eigenen Behausung suchen. Jetzt jedoch steht das ganze Dorf versammelt um das wachsende Loch. Sie wurden gelockt von der unersättlichen Mühe der Schaufel, geführt von einer weißen Hand, die ihren Ursprung in dem schweißdurchtränkten Körper eines weißen Besitzers findet. Dunkle Flecken breiten sich auf den tarnfarbenen Kleidungsstücken aus, die dem neuesten Outdoormagazin entnommen zu sein scheinen. Einzelne herabfallende Tropfen weichen den spröden Boden auf.  Unermüdlich gräbt die Schaufel weiter, der Handbesitzer will sein Werk vollenden. Ein leichter Wahn der Euphorie liegt in seinen Augen, als er triumphierend die Schaufel beiseite legt und sein Werk betrachtet. Es ist an der Zeit es zu vollenden. Er wirft einen letzten Blick in die Menge, schaut in ihre fragenden Gesichter und lässt sich mit einer bedeutungsschwangeren Geste eine kleine Pflanze reichen. Vorsichtig platziert er sie in dem Loch, in dem die Pflanze kümmerlich versackt. Ein Häufchen Erde nach dem anderen befördert er nun mit den eigenen beiden Händen an den Herkunftsort zurück. Nach dem letzten behutsam verstreuten Erdklümpchen erhebt er sich, wird sich seiner Tat bewusst und, um nicht unnötigen Lobeshymnen ausgesetzt zu werden, verzieht er sich bescheiden in die Reihen seiner eigenen Landesgenossen zurück, die ihn mit jubelnden Rufen in Empfang nehmen. Und ehe man sich versieht, befinden sich die weißen Fremdlinge  bereits in ihrem Bus, auf den Weg zu neuen Heldentaten. Die Dorfbewohner stehen noch immer schweigend umher, staunend über das Schauspiel, das sich hier gerade ereignet hat. Ein Einzelner geht näher an das Pflänzchen heran und begutachtet es genauer. „Well it’s a tree“, sagt er nach eingehendem Studium und schaut sich verständnislos in dem von Bäumen und Pflanzen nur so strotzendem Dorf um.

Regensehnsucht

Ihr war es, als müsste es regnen. Dabei schien strahlender Sonnenschein. Regen wäre das passendere Wetter gewesen. Ein Platzregen. In den sie sich hineinstürzen und austoben könnte. Einmal durchnässt bis auf die Haut gegen die tropfende Masse anrennen, die Haare klebend im Gesicht und der Wind sausend um die Ohren. Das wäre das richtige Wetter gewesen. Um ihrem Bedürfnis nach Regen zu frönen, griff sie zur ihrem Regenschirm. Blau war er, klein und voller Löcher. Er ließ sich schon lange nicht mehr richtig öffnen. Vorm Regen konnte er sie längst nicht mehr schützen. Indem sie mit dem Schirm durch die Straßen lief, konnte er zumindest ihre Sehnsucht nach Regen stillen. Unter der Obhut der wärmenden Sonnenstrahlen tanzten sie gemeinsam einen Regentanz.

Eins, Zwei…

Er zählte. Bis drei hätte er zählen sollen, aber bei zwei hörte er auf und startete frühzeitig in den Wettlauf gegen die Anderen. Vollkommen perplex von seiner frevelhaften Tat, zögerte sich so der Start der Freunde um einige weitere wichtige Momente heraus, sodass es ihm ein Leichtes war zuerst die kühlen Fluten zu erreichen.

Lange hatten sie auf diesen Moment gewartet. Wochenlang hatten sie sich abgemüht, waren durch die verschiedensten Gegenden gefahren, bergauf und bergab, teilweise im Kreis, um jetzt am Ende ihrer Reise das Meer zu erreichen. Diese Fahrradtour hatten die Freunde sich schon lange überlegt. Sie war eine vorzeitige Belohnung auf die harte Zeit, die nun auf sie zukommen würde. Und sie hatten die Zeit genossen. Das unabhängig sein, das in den Tag leben und vor allem die Freiheit nach Lust und Laune den Weg zu gestalten. Sie hatten nichts geplant. Nur dass sie am Ende ans Meer wollten, das war die ganze Zeit ihr unumstößliches Ziel gewesen.

Nie hätten sie es für möglich gehalten, dass sie ohne Streitereien, ohne Wutausbrüche und größere Zickereien ankommen würden. Wider erwarten, war genau das der Fall. Viel mehr sogar lernten sie sich richtig kennen und schätzen, lernten einander lieben und verstehen. Und wenn sie nicht wieder zurück zu ihren Verpflichtungen und ihrem Studium gemusst hätten, so hätte diese Reise ewig dauern können. Ganz ohne Konflikte, voller Harmonie.

Dies war der Sommer ihres Lebens.

Bernd stürzte sich in die Fluten und genoss, wie ihn das kühlende Wasser umhüllte. Die anderen folgten jetzt schreiend, lachend und schimpfend und noch ehe er sich versah, hatten ihn die Hände der Freunde gepackt und unter Wasser getaucht.

Zusammen waren sie stark.

Als er wieder auftauchte sah er Lea vor sich. Sie spuckte ihm einen großen Schwall Wasser direkt ins Gesicht. Prustend und lachend stürzte sie sich auf ihn und gab ihm einen salzigen Kuss. Auch das hätte er nicht für möglich gehalten. Lea und er, ein Traum war in Erfüllung gegangen.

In diesem Sommer war alles möglich.